Die Waldfreilichtschule in Zwergen

 

Ursprünglich wurde die Freilufterziehung zum damaligen Zeitpunkt für das kranke Kind gefordert durch die Schaffung von Erholungs-, Ferien- und Kinderheimen. 1957 sagte Setz, sie geht aber alle an, Kinder, Lehrer Eltern, Ärzte und Baumeister. Der Lebensprozess ist weitgehend abhängig von der Natur.

Er fand diesen Weg, als er 1933 herausgenommen wurde aus dem fruchtbaren pädagogischen Arbeitsfeld, aus einer 25jährigen pädagogischen Erfahrung in Groß-, Mittel- und Kleinstadt und in die einklassige Schule des kleinen Dorfes gestellt wurde. Hier, der qualvollen Enge der großen Stadt entrückt, inmitten der Natur suchte er einen Ausweg zur Freiheit des Geistes, zu einer Erziehungsweise zur Menschenwürde, zu einem natürlichen Unterricht. Die Waldschule Zwergen entstand zunächst aus dem beharrlichen Willen zur Gemeinschaft und stellt in Aufbau, Anlage, Form, Einrichtung und Brauchbarkeit den Gemeinschaftsgedanken in den Mittelpunkt. Sie entstand aber auch aus dem Willen, das Problem der Einlehrerschule einer Lösung entgegenzuführen, das Einraumsystem zu überwinden, alle erreichbaren Unterrichtsmöglichkeiten zu schaffen (Abteilungs-Gruppenunterricht), einen natürlichen Unterricht und eine natürliche Erziehung im Freien möglich zu machen.

 

Ein Vorbild war ihm nicht bekannt.

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"Lehrer und Rektor Paul Setz kam 1933 nach Zwergen an die Dorfschule, wo er acht Klassen zu unterrichten hatte. Bei einem Spaziergang im Wald am 'Eichhölzchen' sah er Waldarbeiter, die mit dem Fällen von großen Buchen beschäftigt waren. 'Lassen Sie bitte diese Bäume stehen', sagte Lehrer Setz zu den Arbeitern. 'Hier soll eine Waldschule gebaut werden. Ich werde mit Förster Pilasky Rücksprache halten, damit diese genehmigt wird.

 

Die Genehmigung wurde vom Forstamt  erteilt und Lehrer Setz konnte seine Idee in die Tat umsetzen. Die Schüler der Jahrgänge 1928 bis 1930 haben mit Unterstützung der Holzarbeiter mit viel Eifer und Freude den Platz, auf dem die Waldschule entstehen sollte, von Bäumen und Sträuchern befreit und die Schüler haben mit Hacke und Schaufel den Platz so eingeebnet, dass die Bänke und Tische, die vom Vater eines Mitschülers (Fehring) gezimmert wurden, ebenerdig auf dem Boden stehen konnten

 

Um in die Waldschule zu gelangen, haben die Schüler ebenfalls Erde abgetragen, Rundhölzer angefertigt und in die Erde gelassen, um so einen stufenförmigen Aufgang zur Schule zu schaffen. 186 Stufen mußten erklommen werden, um die Schule zu erreichen. Unterrichtet wurde klassenweise unter den Bäumen. Jede Klasse bekam ihre Aufgabe gestellt und der Klassenälteste mußte über die Mitschüler die Aufsicht führen ...

Aus Anlaß der Schulentlassung pflanzte jede abgehende Klasse einen Baum an die Waldschule - einen Ahorn, eine Birke, eine Eiche oder eine Linde. Bei jedem Baum wurde in einer Flasche eine Urkunde mit den Namen der Schüler und dem Jahr des Schulabganges in das Pflanzloch unter den Baum gegraben.

 

Lehrer Setz pflanzte mit den Schulabgängern des Jahres 1941 unterhalb des Hauptteils der Waldschule eine Linde mit Urkunde. Es war die erste Klasse, die er von der Einschulung bis zur Entlassung unterrichtet hatte. Zu dieser Klasse gehörten Ernst Austermühle, Willi Fehring (beide im Zweiten Weltkrieg gefallen), Hildegard Nolda, Charlotte Israel, Rosemarie Tätsch, Lisa Fülling, Marga Bohle und Irmgard Nolda.

 

Leider ist von der Waldschule nichts mehr zu sehen, bedauerte Irmgard Himmelmann, geb. Nolda, .... Nur die Linde, die sie zusammen mit ihren Mitschülern gepflanzt hatte, ist übrig geblieben. Das gesamte Waldschulgelände ist inzwischen zugewachsen durch Sträucher, Bäume und wilden Bewuchs, kaum noch erkennbar. Nach Lehrer Setz hatte sich niemand mehr um die Schule gekümmert."

 

HNA Hofgeismar vom 04.03.1995, S. 33

 

 

Paul Setz schrieb weiter: "Die Freilufterziehung hat in den letzten Jahrzehnten sich gewandelt in Zielsetzung, Umfang und Bedeutung. . Die Ideallösung, die letzte Lösung, ist die Schaffung von Schuleinrichtungen im freien Wald, Waldschulen."

 

Zusammen gefasst kann gesagt werden, dass durch diese Waldschularbeit der körperlich und geistig gesunde, natürliche, soziale, heimatverbundene, religiöse Mensch herangebildet wurde.

 

Der Gesundheitszustand der Schulkinder in Zwergen wurde jährlich besser. Nach amtsärztlichem Zeugnis war der Gesundheitszustand der Zwerger Kinder der beste im ganzen Kreis." 

 

Die damalige Ausstattung der Waldschule beinhaltete

- 4 Plätze für Gruppenarbeit

- Platz für Sport und Gymnastik sowie Volkstänze

- die stille Ecke

- Platz der Linde

- Platz der "freien Sicht"

- Sprunggrube, Schwebereck, Schaukel, Schwebebalken

- Sandtisch und weiteres schulisch Notwendige (Tafel, Kartenständer usw)

 

Er erzählt vom natürlichen Unterricht mit den aus der Natur hervorgehenden Materialien. Die Pflege der Waldschule wurde von allen durchgeführt, weil es das eigene Werk war, an dem alle Anteil hatten und auf das alle stolz waren.

 

Aber nicht nur der Schulunterricht wurde hier abgehalten, die Waldfreilichtschule stand jederzeit für jeden offen. So gab es reichlich Besuche von Eltern, Freunden, ehemaligen Schülern und Schülerinnen, Schulklassen, Hochschullehrern, Pädagogen, Studenten der pädagogischen Akademien und von Lehrerarbeitsgemeinschaften. Gerufene und Ungerufene, Berufene und Unberufene waren zu Gast. Der "Hessische Rundfunk" hat  1949  zwei Reportagen für den Schulfunk aufgezeichnet.

 

So zeigte die Waldschule damals, wie eine planmäßge Förderung der Gesundheit von Schülern und Lehrern ganz von selbst, unausgesprochen und unaufdringlich zum integralen Bestandteil der Erziehung wurde.  

 

 

 

Paul Setz in: Gesundes Schulleben, Anregungen für eine planmäßige wirksame Gesundheitspflege und -Erziehung in der Schule, Heft 6, Gesellschaft für Freilufterziehung und Schulgesundheitspflege e.V., Brackwede 1957, zum Weltgesundheitstag, S. 93-94

 

 

Im gleichen Jahr 1957 wurde Paul Setz das Bundesverdienstkreuz verliehen als

"Vorkämpfer für die Freilufterziehung"

durch den seinerzeitigen Hessischen Innenminister Schneider